Im Jahre 1996 absolvierte die Bielerin Regula Remund (rechts) ihr Vikariat als angehende Pfarrerin in Schüpfen. Zu ihren Praxiserfahrungen, die sie sammeln musste, gehörte auch das Erteilen des Konfirmandenunterrichts. Der glückliche Zufall wollte es, dass in einer ihrer Klassen eine Konfirmandin war, die durch ihr grosses gesangliches Talent auffiel - Marianne Keel (links).
Der zweite glückliche Zufall war, dass R. Remund am Weltgebetstag 1996 mitwirken durfte und vom Vorbereitungsteam fürs Begleiten eines Liedes angefragt wurde. Zwar kann und konnte R. Remund als Autodidaktin keine Noten lesen, aber dafür "nach Gehör" Lieder begleiten. Zum Erstaunen des Weltgebetstagsteams gefiel das am Gottesdienst vorgetragene Lied den Zuhörenden.
Inspiriert von dieser Erfahrung beschlossen die Frauen in der nächsten Kirchenzeitung ein kleines Inserat zu lancieren, das zum "Singen ohne Noten" in der Kirche Schüpfen einlud. Das Inserat stiess auf beachtliches Echo, so dass sich auf einmal 20 Menschen in der Kirche einfanden, die gerne ohne Noten und ohne Leistungsdruck singen wollten.
Zum diesem Zeitpunkt aber war weder die Gründung eines Chors geplant, noch sah sich Regula Remund überhaupt in der Lage einen Chor zu leiten; hatte sie doch keine entsprechende musikalische Ausbildung.
Nun, langer Rede kurzer Sinn: Aus den 20 Singenden wurde mit der Zeit ein vierzigköpfiger Chor, die Spirituals.
Aus der Hobbyklavierspielerin Regula Remund wurde eine Hobbychorleiterin, die alle Songs der Spirituals selbst arrangiert und auf dem Piano begleitet. Und aus der Konfirmandin Marianne Keel wurde unsere langjährige Leadsängerin (bis 2005), die sich an der Jazzschule Basel zur Jazzsängerin und Gesangslehrerin ausbilden liess. Marianne Keel leitet heute selbst Chöre, unterrichtet und ist auf verschiedenen Bühnen mit eigenen musikalischen Projekten zu hören und zu sehen.
Mit der Schauspielerin und Sängerin Mirjam Zbinden unterstützt uns heute eine herausragende Künstlerin als Leadsängerin; der dritte Glücksfall... Doch nicht nur Mirjam Zbinden ist als Solistin der Spirituals zu hören, sondern mehr und mehr auch Sänger und Sängerinnen aus dem Chor.
Die Spirituals singen nicht nur ohne Noten, sie studieren die Songs auch ohne Noten ein. Die Chorleiterin singt jeweils den einzelnen Stimmgruppen die Melodie vor. Das Besondere an dieser Arbeitsweise ist, dass die Singenden die Lieder verinnerlichen und dass die Arrangements der Spirituals nur von diesem Chor gesungen werden, da sie ja nicht auf Papier greifbar sind.
Nicht so wichtig ist, dass der einzelne Sänger, die einzelne Sängerin jede Note genau trifft, sondern vielmehr, dass die Singenden mit "Leib und Seele" singen können, ohne Angst, abendländischen Kriterien gelungener Musik nicht zu genügen.
Die afro-amerikanische Musik hat ihre Ursprünge im unermesslichen Leid der afrikanischen Sklaven auf dem amerikanischen Kontinent. Dieser Herkunft bewusst, ist es uns ein Anliegen, das traditionelle Liedgut afrikanischer Sklaven in Amerika mit Achtung und grossem Respekt zu bearbeiten.
Wir möchten nicht, dass der Gospelsong verwässert und als Konsumgut auf dem inflationären Markt des Gospelsingens zu Grabe getragen wird.
Unsere wichtigsten LehrmeisterInnen sind die afro-amerikanischer MusikerInnen und SängerInnen des Jazz, des Blues, des Soul und des Spiritual. Allen voran verneigen wir uns vor der umwerfenden Gesangskunst einer Mahalia Jackson. Ihre unvergleichlichen Interpretationen sind uns Inspiration und Wegweiser zugleich.
Ein Bluessänger sagte: Singing the blues is like rubbing your head after you’ve bumped it hard it doesn’t stop the pain but it surely makes you feel better.
(Blues Singen ist wie wenn du deinen Kopf reibst, nachdem du ihn angeschlagen hast. Es stoppt nicht einfach die Schmerzen, aber du wirst dich gleichwohl viel besser fühlen).